Die Sprache der Pferde sprechen

Natürlich werden wir keine Unterhaltung mit dem Pferd führen könnnen, z.B. darüber wie das letzte Mittagessen geschmeckt hat. Das ist auch gut so, denn das Pferd als Vegetarier (ich bin übrigens auch einer) könnte wohl nicht sehr viel Verständnis dafür aufbringen, wenn man ihm schildern wollte, wie so ein Steak schmeckt...

Also wollen wir uns lieber um die Dinge kümmern, die möglich und sinnvoll sind. Dabei werden wir feststellen, daß es weniger spektakulär ist, mit einem Pferd zu sprechen, als wir vermutet hatten. Trotzdem ist es sehr wirkungsvoll.

Was für Möglichkeiten haben wir als Menschen?

Es ist wahr: Die meisten von uns Menschen sind nicht in der Lage, ihre Ohren nach hinten zu legen, um einem Pferd zu zeigen, daß ihnen etwas nicht paßt. Auch unsere Zähne beeindrucken ein Pferd nicht, wenn wir sie ihm zeigen. - Ja, unser gesamter Körper unterscheidet sich von dem eines Pferdes enorm! Wie - bitte schön - sollen wir da zu einem Pferd in seiner Sprache sprechen können?? -

Da besteht überhaupt kein Grund zur Sorge. Pferde haben ganz schnell gelernt, die Körpersprache des Menschen zu verstehen. - Sie können das besser, als uns manchmal lieb ist. Oft "schwatzen" wir pausenlos, ohne es selbst zu bemerken: Sind wir z. B. unsicher oder nicht ganz bei der Sache, sehen sie das sofort an der Körperhaltung und an unseren Bewegungen. Sie können sehen, ob wir Schmerzen haben, ob wir lächeln oder "böse gucken", ob uns Selbstsicherheit fehlt. Das ist etwas, das wir beachten müssen, aber auch als Grundlage für die "Unterhaltung" mit dem Pferd nutzen können.
Wenn wir mit den Pferden sprechen wollen, müssen wir lernen, daß der Begriff "Sprache" viel mehr umfaßt, als uns momentan vielleicht bewußt ist. Lassen wir einmal die menschliche Sprache (Stimme) weg, und überlegen, welche Verständigungsmittel uns dann noch bleiben:
Übersicht - Wie spreche ich mit dem Pferd?
- auf Signale des Pferdes achten und darauf reagieren
- menschliche Körpersprache, die das Pferd kennt, bewußter nutzen
- Bestandteile der Pferdesprache, bei denen das möglich ist, als Mensch nutzen

Auf Signale des Pferdes reagieren

Auch das Pferd sendet ständig Signale aus. Wenn ich diese kennenlerne und dann beachte, kann ich darauf reagieren, und antworte dem Pferd somit direkt. Dies ist vielleicht der wichtigste Part der Pferdesprache. Zum Verständnis, was ich damit meine, ein einfaches aber alltägliches Beispiel:
Viele Pferde sind an manchen Körperstellen empfindlich oder kitzlig. Dies merkt man sehr deutlich beim Putzen. Schauen wir uns einmal den Ablauf der Situation an, der entstehen kann, wenn wir uns nicht um "Signale" und "Pferdesprache" usw. kümmern:

Ich putze gerade den Bereich um die Flanken, als das Pferd ausweicht. Ich ermahne das Pferd, stillzustehen, gehe hinterher und putze weiter. Das Pferd legt die Ohren an und stampft mit dem Fuß auf. Das geht natürlich nicht! Also wird das Pferd sofort lautstark ermahnt, und erhält mit der flachen Hand einen Ordnungsgong. Ich putze weiter und das Pferd beißt mich. Klar, daß ich innerhalb von maximal drei Sekunden zurückhaue, und das Pferd ordentlich ausschimpfe! So - nun steht es aber wie eine Eins! Als nächstes will ich die Hufe auskratzen. Den ersten Huf gibt es mir, zieht ihn aber sofort wieder zurück. Ich schimpfe ordentlich und nehme den Huf nochmals auf. Mit aller Kraft halte ich ihn fest. Fast falle ich dabei hin, aber ich schaffe es irgendwie, den Huf zu halten....

Hier breche ich einfach 'mal ab, damit die Geschichte nicht zu lang wird. Die Probleme und das Geschimpfe können sich nämlich noch bis in die Reitstunde und danach hinziehen! - Zwar ist das Beispiel konstruiert, aber nicht ausgedacht. Denn so beobachte ich das immer wieder, wenn Pferde zum Reiten vorbereitet werden. - Viel ruhiger kann die gleiche Situation ablaufen, wenn man auf die Signale des Pferdes achtet, und überlegt, was sie bedeuten könnten, und dem Pferd nicht gleich Ungehorsam und Respektlosigkeit unterstellt:

Ich putze also wieder gerade den Bereich um die Flanken, als das Pferd ausweicht. Da ich mir nicht ganz sicher bin, ob das Pferd ein Problem mit meinem Putzen hat, gehe ich hinterher, putze weiter, aber beobachte es genauer. Als ich sehe, wie das Pferd die Ohren anlegt und das Bein anhebt, höre ich an dieser Stelle mit dem Putzen sofort auf und putze woanders weiter. Die Ohren gehen sofort wieder nach vorn. Hufe auskratzen, satteln, auftrensen - alles geht problemlos. Bevor wir den Stall zum Reiten verlassen, gehe ich noch kurz mit der Hand über die empfindlichen Stellen, da sie mir noch etwas staubig vorkamen. (Muß ja nicht jeder sehen, daß ich dort kaum geputzt habe...)

Schön. - Aber warum gehört das zur Pferdesprache? - Dieses zweite Pferd fühlt sich von mir verstanden. Durch meine Reaktion habe ich ihm eine Antwort gegeben und seine Sprache gesprochen: "Aha, du bist da kitzlig? Na gut, ich putze woanders weiter." - Das erste Pferd dagegen fühlte sich die ganze Zeit völlig unverstanden. Vielleicht glaubte es sogar, ich wollte es bewußt ärgern oder quälen, denn es hatte mir doch klar und deutlich gesagt, daß es dort nicht geputzt werden will...
Das Putzen kann mit der gegenseitigen Fellpflege befreundeter Pferde verglichen werden. Sie zeigen sich gegenseitig, wo sie "beknabbert" werden möchten. Weicht ein Pferd dabei aus, weiß das andere sofort: "Aha, dort also nicht."

Menschliche Körpersprache bewußter nutzen

Unser Problem ist es, daß wir den bewußten Umgang mit der Körpersprache nicht gewohnt sind. Deshalb dürfte es uns anfangs sehr schwer fallen, selbst zu bestimmen, was unser Körper ausdrücken soll.

Was können wir tun?

Innere Einstellung

Wenn unser Körper also unbewußt widerspiegelt, wie es in uns aussieht, dann sollten wir uns unbedingt mit unserer inneren Einstellung beschäftigen! Wenn ich insgesamt eine positivere Ausstrahlung erreichen möchte, dann muß ich mir zunächst Fragen wie diese beantworten: Gehen Sie ruhig davon aus, daß solche Dinge nach außen hin für das Pferd sicht- und fühlbar werden. Es ist daher wichtig, sich vor dem Kontakt mit dem Pferd darüber klar zu werden, daß solche Emotionen wie Ärger, Groll u. ä. im Umgang mit dem Pferd absolut fehl am Platze sind. Konzentrieren Sie sich vollständig auf die Arbeit mit dem Pferd! Verbannen Sie Gedanken wie "Das klappt sicher sowieso nicht..." aus Ihrem Kopf! So etwas verhindert von vornherein die Ausstrahlung von Sicherheit und Selbstbewußtsein. Stellen Sie sich vorher bildlich vor, wie Sie das nächste Mal ein Problem ganz ruhig lösen werden, wenn Ihr Pferd 'mal wieder nicht gehorchen will. Vielleicht hat es ja selbst ein Problem, und würde eigentlich gern gehorchen. Vielleicht hat es Schmerzen, Angst oder fühlt sich nicht sicher, weil Sie den Huf beim Auskratzen ungünstig halten, vielleicht hat es Sie gar nicht verstanden... Es gibt viele Ursachen. Achten Sie auf die Signale des Pferdes!

Bewußter Einsatz der Körpersprache

Bleiben wir doch bei dem eingangs erwähnten Beispiel der Selbstsicherheit, weil sie so wichtig ist und den gesamten Umgang mit dem Pferd beeinflußt. Ist für das Pferd erkennbar, daß ich unsicher und ängstlich bin, dann sage ich ihm gerade in seiner Sprache: "Ich fühle mich unsicher und weiß noch nicht so richtig Bescheid. - Sage du mir doch bitte, wo es lang geht!". Dies tut das Pferd dann auch. Allerdings zeigt es mir nicht etwa, wie man Hufe auskratzt oder wie man die Trense anlegt, sondern es bestimmt den Rest des Tagesablaufes, denn ich zwinge es durch mein Verhalten, selbst Entscheidungen zu treffen.
Wie sieht ein unsicherer Mensch aus? Er hat nach vorn hängende Schultern, den Kopf eingezogen, macht unsichere, fahrige Bewegungen, wird nervös, wenn etwas nicht klappt, zeigt verspannte Muskulatur und Gesichtszüge, hat eine höhere Atemfrequenz, hält einen größeren Sicherheitsabstand zum Pferd und weicht ihm automatisch aus, wenn ihm das Pferd zu nahe kommt.

Daraus können wir ableiten, was wir tun müssen, um selbstsicherer zu wirken (besser: zu werden). Zunächst müssen wir den Ablauf dessen genau kennen, was wir als nächstes tun wollen. Am besten, ich stelle mir bildlich vor, wie ich das Pferd veranlasse, beispielsweise zur Seite zu gehen. Das beeinflußt meine Körpersprache im richtigen Sinne, was das Pferd wiederum wahrnehmen kann. Dann gehen wir es an:

AktivitätBedeutung
tief einatmen und ruhig und langsam ausatmen "Ich bin ruhig. Also vertrau' mir!"
an das Pferd herantreten, dabei sich aufrichten, Schultern etwas nach hinten, Brust 'raus -- wichtig aussehen! "Ich führe, du folgst!"
selbst davon überzeugt sein, und somit keinen Zweifel lassen, daß es jetzt losgeht! verstärkt den Eindruck des Anführers, wenn man selbst davon überzeugt ist
sich bildhaft vorstellen, was man jetzt tun wird beeinflußt die für das Pferd sichtbare Körperhaltung passend
klares Stimmkommando, Druck ausüben, z.B. wenn das Pferd auf die andere Seite soll: mit der Hand deutlichen Druck in die gewünschte Richtung ausüben, Kommando "'rum!"."Geh' 'mal da 'rüber!"
Wenn nötig Kommando wiederholen und Druck zwei Sekunden verstärken "Doch, ich meine es ernst. Geh' zur Seite!"
Druck nachlassen, wenn das Pferd reagiert"Ja, genau das meine ich. Richtig!"
das Pferd kurz loben und streicheln"Das hast du gut gemacht. Ich bin mit dir zufrieden."

Das wird bei schwierigen Pferden eventuell nicht funktionieren, wenn jemand daneben steht, der mir helfen könnte, oder noch schlimmer, dem das Pferd gehört. Unbewußt würde ich mich vielleicht auf diese mögliche Hilfe verlassen, und deshalb selbst nicht davon überzeugt sein, daß ich das jetzt mache! Auf das Pferd wirkt das unsicher, nicht authentisch, da meine Körpersprache momentan nicht zu meinen Aktivitäten paßt. Am besten übt man sich an seinem Schulpferd beim alltäglichen Umgang, wenn man sowieso mit ihm allein ist. Später, wenn man sicherer geworden ist, spielen auch solche Erschwernisse keine so große Rolle mehr.

Hier noch etwas zum Thema "Inneres Bild", also zur bildhaften Vorstellung: Warum ich ein inneres Bild von meiner nächsten Tätigkeit haben sollte, was es bewirken kann und was das mit Pferdesprache zu tun hat: Mehr zum Thema 'Inneres Bild'
Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, da ich durch bildliche Vorstellung meine Körpersprache unbewußt passend beeinflussen kann, was die Kommunikation mit dem Pferd wesentlich verbessert, denn meine Körpersprache kann es ja lesen.

Ein paar Worte zum Thema "Ausweichen": Wenn mir das Pferd (nach meinem Empfinden) zu nahe kommt, und ich deshalb ausweiche, gebe ich dem Pferd ganz klar zu verstehen: "Ich weiche dir aus, also bist du der Ranghöhere."
Menschliche Höflichkeit ist hier also fehl am Platze! Ich muß lernen, daß das Pferd mir ausweicht. Notfalls muß ich das Pferd kräftig wegdrücken und die Stimme laut werden lassen, um das für die Zukunft zu klären. - Wer ausweicht ist der Rangniedere!
ABER: Auf die Füße aufpassen, und nicht um jeden Preis stehen bleiben. Das Pferd ist stärker und schwerer. Wenn es nicht anders geht, muß man halt weiterlernen und später korrigieren. Es nützt auch gar nichts, wenn ich immer nur an dieser Stelle den Ranghöheren spielen will, ansonsten aber noch völlig unsicher bin. Das paßt nicht zusammen, und das Pferd wird mich nicht als zuverlässig und somit ranghöher akzeptieren.

Pferdesprache als Mensch nutzen

Schauen wir einmal, was uns als Menschen noch für Möglichkeiten bleiben, wenn wir das Ohrenspiel nicht beherrschen, nicht mit den Hufen ausschlagen können und mit dem Imponiertrab unsere Schwierigkeiten haben.

Annäherung - Auf das Pferd zugehen

Wenn wir z.B. auf der Weide oder Koppel auf das Pferd zugehen, tun wir das am besten von seitlich-vorn. Um das zu erreichen, wenn uns das Pferd sein Hinterteil zuwendet, und auf Rufen nicht reagiert, können wir einen Bogen gehen, um von seitlich-vorn an das Pferd herantreten zu können. Damit sagen wir dem Pferd in etwa: "Hallo Pferd, ich komme mit freundlichen Absichten auf dich zu."
Befreundete Pferde tun das genau so.

Blicke...

...spielen in der Pferdesprache eine bedeutende Rolle. Mit "falschen" Blicken kann es mir bei entsprechend sensiblen Pferden passieren, daß ich genau das Gegenteil von dem erreiche, was ich eigentlich vor hatte. Mit "richtigen" Blicken kann ich z. B. ein aufmerksames Pferd an der Longe zum Antraben und Angaloppieren bringen, ohne mit einer Peitsche wedeln oder gar schlagen zu müssen. Wie ist das möglich?
Wenn ein Pferd ein anderes von seinem Platz vertreiben will, schaut es ihm u. a. direkt in die Augen. Am deutlichsten ist das zu sehen, wenn eine Leitstute ein anderes, meist junges Pferd zur Disziplinierung zeitweise aus der Herde vertreibt. Auch ein Raubtier schaut dem gejagten Beutetier direkt in die Augen. Der direkte Blickkontakt heißt für das Pferd also soviel wie "Geh weg!". Hole ich ein Pferd von der Weide und schaue ihm dabei in die Augen, schicke ich das Pferd vor mir weg. - Das Gegenteil von dem, was ich wollte! An der Longe kann ich diesen Blickkontakt nutzen, um das Pferd z. B. antraben zu lassen. Trabt es, nehme ich den Blick weiter nach hinten (Hals, Rücken). Will es wieder langsamer werden, sehe ich ihm wieder in die Augen.

Hände

Verstärken kann ich den eben beschriebenen Blick-Effekt, indem ich dem Pferd kurz die erhobene, geöffnete Hand zeige und die Finger dabei spreize ("Krallenhand"). Diesen Anblick wird das Pferd mit dem eines Raubtieres in Verbindung bringen und deshalb schneller werden, denn meine Körpersprache beinhaltet nun plötzlich Elemente der Sprache von Raubkatzen.
In anderen Situationen, wenn ich das Pferd in meiner Nähe haben will, muß ich also darauf achten, daß meine Hände geschlossen sind und sich ruhig verhalten (z. B. die Finger nicht nervös aneinander reiben).

Begrüßung

Wenn zwei Pferde sich begegnen, beschnuppern sie sich zuerst. Deshalb halte ich einem Pferd zuerst meine Hand offen und locker hin (Finger nicht gespreizt!), und warte bis es mit dem Beschnuppern fertig ist. Hier halte ich die "pferdliche Höflichkeit" ein. Wenn das Pferd keine Angst hat, streichle ich es mit der beschnupperten Hand am Hals, während ich mit der anderen in's Halfter greife.
Für Pferde spielt der Geruchssinn eine große Rolle. So, wie wir einen anderen Menschen auf den ersten Blick beurteilen, tut ein Pferd das außerdem "auf den ersten Riecher". Deshalb sage ich dem Pferd, indem ich ihm meine Hand zum Beschnuppern hinhalte: "Hier, probier' 'mal, ob du mich riechen kannst!"

"Willst du mein Freund sein?"

Haben zwei Pferde festgestellt, daß sie "sich riechen können", oder kennen sie sich bereits länger, kann es passieren, daß eines dem anderen in die Nüstern bläst. Das ist ein Freundschaftsangebot. Manchmal kommt es vor, daß ein Pferd einem Menschen in's Gesicht bläst. Wenn man das Pferd auch mag, kann man ihm antworten, indem man ihm ebenfalls ruhig und langsam in die Richtung seiner Nüstern pustet.

"Ich warne dich!"

Wenn ein Pferd nach mir schnappt oder mir droht, indem es die Ohren anlegt und die Zähne zeigt, reagiere ich so:
Augen weit auf. Dem Pferd in's Auge sehen. Das bedeutet: "Ich bin erregt über deine Frechheit!"
Gleichzeitig aufrichten, Brust 'raus, Schultern nach hinten, auf das Pferd zu gehen, heißt: "Ich warne dich!"
Dabei stehe ich so, daß ich dem Pferdeauge meine Vorderseite möglichst frontal zuwende, daß ich ihm also möglichst viel Fläche präsentiere.
Das Nicht-Anlegen-Können der Ohren kompensiere ich mit einem kurzen, lauten Einsatz der Stimme, z.B. "Na!".
Um die Wirkung zu verstärken und um mich zu schützen, greife ich gleichzeitig in's Halfter, ziehe damit den Pferdekopf zu mir, aber halte ihn im Notfall auch soweit zurück, daß es mich nicht in's Gesicht beißen kann. Versucht das Pferd dabei auszuweichen, dann war ich erfolgreich.

"Ich bin der Chef!"

Der Chef bestimmt Richtung und Geschwindigkeit des anderen Pferdes.
Benimmt sich ein Pferd z. B. beim Führen daneben, es will mich z. B. überholen, korrigiere ich die Geschwindigkeit durch Zug am Halfter. Wird das Pferd langsamer, gebe ich sofort wieder nach. Nützt das nichts, halte ich das Pferd ganz an, drehe ich mich zu ihm um (bleibe aber trotzdem an der linken Seite des Pferdes), schaue im direkt in die Augen, lege mit mäßigem Druck die Hand auf seine Brust auf, übe Zug nach hinten mit dem Halfter aus und sage "Zuuurrrück!". Geht es den ersten Schritt rückwärts, lasse ich den Druck wieder sofort nach, um ihn für den nächsten Schritt gleich wieder aufzubauen. Nach dem dritten Schritt lobe ich das Pferd kurz durch Streicheln am Hals oder an der Stirn, und wir gehen weiter.
Auf beengtem Raum, z. B. in der Box, kann ich das Pferd z. B. einmal um sich herum drehen.
Folgende Methode ist für Anfänger gar nicht geeignet, läßt aber das Prinzip "Ranghoch-Rangniedrig" sehr schön erklären:
Wirksamer ist es, wenn ich das Pferd mit Körperhaltung und Gestik um sich herum treiben kann, es also vor mir ausweicht: Gleiche Position, wie unter "Ich warne dich!" Weicht das Pferd aus, treibe ich es weiter um sich herum vor mir her, z. B. eine halbe Runde. Die Hand bleibt dabei zur Sicherheit im Halfter. Und Vorsicht: Auf die eigenen Füße achten, niemals dabei hinter das Pferd geraten! - Dies darf man erst versuchen, wenn man nach einigen Jahren Praxis die entsprechende Sicherheit gewonnen hat. Ich muß ganz genau wissen, daß das Pferd auch wirklich vor mir ausweicht! Und ich muß mich so bewegen können, daß ich dabei nie hinter das Pferd gerate (das Pferd könnte ausschlagen!).

Der Chef überwacht aber auch die Einhaltung seiner Regeln
Beginne ich, ein Pferd zu putzen, zu führen oder zu reiten, so wird es seiner Natur folgen, und anfangs testen, ob ich wirklich als Chef infrage komme. Schließlich vertraut es mir ja aus seiner Sicht sein Leben an. Es wird sich in Zukunft auf meine Einschätzung, ob etwas eine Gefahr darstellt oder nicht, verlassen, wenn es mich als Chef anerkennt. Wird es beim Führen plötzlich schneller oder langsamer, hat es selbst eine Entscheidung getroffen und ist auf meine Reaktion darauf gespannt. Deshalb korrigiere ich so früh wie möglich seine Geschwindigkeit. Je schneller ich auf die Tempoveränderung reagiere, desto selbstverständlicher wird das Pferd folgen. Je länger ich für meine Reaktion brauche, desto schwieriger wird die Korrektur. Reagiere ich gar nicht, sondern passe vielleicht sogar mein Tempo dem des Pferdes an, ist für mein Pferd klar: "Der ist kein Chef. Also muß ich selbst diesen anstrengenden Job übernehmen."
Anfangs passiert es häufig, daß man solche Kleinigkeiten einfach übersieht. Es wird Ihnen schwerfallen, schnell genug zu unterscheiden, ob das Pferd nur sein Gewicht verlagert, um bequemer stehen zu können, oder weil es irgendwo etwas Interessantes entdeckt hat und nun dort hingehen will (dorthin hat es dann wenigstens ein Ohr gedreht - doch es soll seine Aufmerksamkeit mir zuwenden!). Wenn man die Augen offenhält und solche Prinzipien im Kopf hat, lernt man das mit der Zeit, und steigt dadurch Sprosse für Sprosse die Rangleiter hinauf.

Einladung - "Ich tue dir nichts!"

Die meisten Pferde sind ja daran gewöhnt, daß wir ihre Körpersprache nicht sprechen. Daß wir keinen Angriff vorbereiten, wenn wir frontal zu ihnen stehen, haben sie schon längst begriffen. Interessant wird das aber bei scheuen, ängstlichen Pferden, die vielleicht aufgrund schlechter Erfahrungen mit Menschen, skeptisch, zurückhaltend und abweisend geworden sind. Oder die noch neu sind und sich noch nicht eingewöhnt haben.
Einem solchen Pferd, wenn es vor mir zurückgewichen ist, sage ich: "Ich tue dir nichts.", und lade es ein, zu mir zu kommen. Das mache ich so: Ich stelle mich mit dem Rücken zu ihm (z. B. an der Tür zu seiner Box) und drehe mich etwas zur Seite. Dabei nehme ich eine möglichst entspannte Körperhaltung ein und atme ruhig und langsam. Ich beobachte es nur noch aus den Augenwinkeln. Ab und zu spreche ich ruhig und nett zum Pferd. Wenn ich Glück habe, schiebt sich schon nach ein paar Minuten vorsichtig ein Pferdekopf neben meinen. Wenn nicht, versuche ich es später wieder. Und wieder...
Vielleicht findet so ein Pferd ja ein Fünkchen Vertrauen wieder, wenn es sieht, daß dieser Zweibeiner versucht, ein wenig seine Sprache zu sprechen.