<a href="../index.html">Zur Startseite und zum Hauptmen&uuml;</a><HR> Unter dieser Rubrik "Pferde" stelle ich einige von ihnen vor. Es sind vor allem die, bei denen ich besonders viel gelernt habe. Es sind alles Schulpferde, über die ich schreibe, denn eigene Pferde habe ich nicht.

Dies ist die Stelle, an der ich wirklich auch einmal etwas über Schulpferde sagen muß! Wenn man dieses Wort hört, hat es viel zu oft einen negativen Beiklang, so wie: "Es ist ja nur ein Schulpferd...". Dazu sollte man sich einmal überlegen, was so ein Schulpferd alles über sich ergehen lassen muß und was es trotzdem leistet! Nicht jedes Pferd taugt zum Schulpferd, denn es braucht viel Geduld: Es muß immer wieder Anfänger unterrichten, die noch mit ihrem Gleichgewicht kämpfen, schmerzhaft am Zügel ziehen, mit den Beinen herumschlenkern und damit gegen den Bauch klopfen. Andere Reiter sind schon fortgeschrittener, wieder andere Reiter benutzen eigentlich nur ein Sportgerät. Oft wird es ausgeschimpft für Dinge, an denen es keine Schuld trägt. Mit all dem muß so ein Schulpferd klarkommen und sich immer wieder neu anpassen. Manche Pferde können das nicht so gut, sind aber trotzdem Schulpferd geworden, denn sie hatten keine Wahlmöglichkeit. Trotzdem machen sie ihre Arbeit.
Vielleicht sollten wir, wenn wir das nächste Mal an unser Schulpferd herantreten, einmal daran denken.


Aramis muß ich noch mit zuviel Kraftaufwand reiten. Aber es wird schon besser...

Aramis

Aramis, mein erstes Pferd ist der erste Kandidat, über den ich erzähle. Er "geistert" hier mehrfach auf den Internetseiten herum... Er wohnt in Hnanice, im Böhmischen Paradies Tschechiens.
Also, meine allererste Reitstunde verbrachte ich auf ihm. Und wie war ich froh, als die wieder vorbei war, ohne daß ich heruntergefallen war! Und alles tat mir weh...
Was mich damals aber beeindruckt hatte, war seine Geduld mit der er mich eine Stunde lang auf seinem Rücken (er)trug. Eigentlich hatte er das doch als größeres und viel stärkeres Lebewesen gar nicht nötig? Und doch tat er es willig. Deshalb ging ich nach ein paar Wochen wieder hin; und später wieder.
Damals war er 15 Jahre alt, ein "Halbblut" (Vater war Vollblut).
Unterdessen fing ich an, auch zu Hause Reiten zu lernen. Dadurch klappte es beim nächsten Mal auf Aramis schon besser, so daß man die Longe entfernte und mich allein auf dem Platz loslies. Allerdings passierte nicht mehr viel, nachdem die Longe ab war: Es gibt vermutlich kein langsameres Pferd, als Aramis. Außerdem ist er Weltmeister im Abkürzen. Aramis war lange Zeit nie in der Nähe einer Ecke des Reitplatzes - jedenfalls nicht mit mir.

Je mehr ich selbständiger reiten lernte, desto mehr hatte ich meine Probleme auf ihm. Aber ich wollte kein anderes Pferd, wenn wir in Tschechien waren. Schließlich war er mein erstes Pferd! Außerdem mögen wir beide uns! Er behandelte mich (wenn ich nicht auf seinem Rücken saß) fast von Anfang an besonders nett. Das war weniger mir, sondern mehr den anderen dort aufgefallen.
Außerdem war er über die Maßen beleidigt, wenn ich an einem letzten Tag vor meiner Heimreise auf einem anderen Pferd ritt. (Die Reitlehrerin wollte mir hin und wieder ein Erfolgserlebnis auf einem anderen Pferd verschaffen.) An anderen Tagen tolerierte er das 'mal. Nicht am letzten Tag! Dann konnte es eine Stunde dauern, bis ich mich wieder bei ihm "eingekratzt" hatte. Nun tue ich soetwas grundsätzlich nicht mehr. So ein Abschied ist ja so jedesmal schon schwer genug.
Also ritt ich dort von nun an ein Pferd, das mich maßlos überforderte. Aber ich wollte es ja so. Sporen lehnte ich auch ab, um ihm nicht weh zu tun. (Er wird sonst von den selbständigeren Reitern immer mit Sporen geritten.) Die Gerte benutzte ich nicht, weil ich dachte, daß meine Reiterhilfen noch so unsicher sind, daß mir der Gerteneinsatz nicht "zusteht". So galoppierten meine Tochter und ihre Freundin frei, während ich in Hnanice immer an die Longe mußte, da ich auf Aramis nicht einmal im Trab einen Zirkel reiten konnte. Daraus machte er nämlich sofort von sich aus die Bahnfigur "Zirkel ganz schnell und extrem verkleinern".

Der "Durchbruch"
Wenn ich versuchte, mehr aus ihm "herauszuholen", konnte es mir passieren, daß er entgültig stehen blieb. Einmal mußte ihn sogar die Reitlehrerin während des Reitunterrichts korrekturreiten, weil gar nichts mehr ging. Da half dann schon nur noch sehr starkes Treiben ihrerseits. Mir tat allein das Zusehen weh. Ihn, Aramis juckte das scheinbar gar nicht.
Eines Tages blieb er wieder mitten in der Reitbahn mit mir stehen. Diesmal setzte ich endlich die Gerte, die ich in jeder Reitstunde in meiner Hand trug, ein. Sicher nicht schmerzhaft, aber deutlich. Oh, das kannte er von mir nicht! Er ging hinten hoch, ich wiederholte sofort den Gerteneinsatz. Währenddessen trieb ich so stark ich konnte. Als ich fast nicht mehr konnte, setzte er sich langsam und widerwillig in Bewegung. Alles an ihm wollte mir sagen: "Also recht ist es mir nicht! Aber ich geh' dann 'mal." Und - unglaublich - der Rest der Reitstunde war herrlich: Wir sind im Trab und im Galopp zum ersten Mal selbständig auf einem völlig runden Zirkel geritten!
Am nächsten Tag beeilte er sich sehr, um das Stallgebäude herum auf den Reitplatz zu gehen. Kaum waren wir dort angekommen, blieb er stehen. Er wollte wissen, ob das am Vortage nur eine Ausnahme war, oder ob das Gleiche heute wieder passieren würde! Es passierte das Gleiche, mit dem Unterschied, daß er viel früher einlenkte und losging. Am übernächsten Tag das gleiche Spiel, mit noch weniger Krafteinsatz. Bereits in diesen Tagen haben Aramis und ich zusammen mehrmals die Ecken des Reitplatzes besucht!
Seitdem hat sich vieles verbessert, trotzdem muß ich ihn mit noch zuviel Kraftaufwand reiten. Aber Sporen möchte ich nicht verwenden - ich versuche es weiter mit Lernen und Geduld.
Ach ja: Auch in der Reitbahn verwende ich viel Lob. Seitdem haben wir nochmals große Fortschritte gemacht. Vor allem in Bezug auf Leichtigkeit beim Reiten. Bald sind wir bestimmt auch beim Reiten ein ideales Paar!

Was habe ich bei Aramis gelernt?
Vor allem, daß der Umgang mit Pferden sehr schön sein kann. Aber auch, daß es nicht immer nur mit "Sanftheit" und Nettigkeiten geht. Manchmal muß man sich tatsächlich (überlegt!) beim Pferd durchsetzen. Man darf nämlich nicht vergessen, daß das Pferd auch von mir erwartet, daß ich mich am Gestalten der Rangordnung beteilige. Tue ich das nicht, legt es die Rangordnung allein fest. Das kann beim Reiten offensichtlich eine andere sein, als auf dem Boden! Zögere ich das lange hinaus, muß ich später eine Rangordnung ändern, an die das Pferd lange gewöhnt ist. Das ist dann schwieriger.
Übrigens hatte mein Loben und Streicheln während des Reitens vor unserer "Auseinandersetzung" kaum etwas bewirkt. Jetzt, nachdem Aramis mich offensichtlich auch beim Reiten als "von etwas höherem Rang" akzeptiert, hat mein Lob wohl mehr Gewicht.

Tatan

Den kennen Sie schon aus der einleitenden Geschichte in der Rubrik "Reiten". Er war mein erstes Pferd in Deutschland, in der Nähe von Berlin. Er ist Traber und war 14 Jahre alt, als ich ihn kennenlernte. Seine wird die längste Geschichte, obwohl ich sie immer wieder gekürzt habe. Aber er war eben mein Anfängerpferd hier zu Hause. Mit ihm hatte ich vor allem Probleme beim Putzen, Satteln und Trensen. Wegen meinen Problemen mit ihm, habe ich überhaupt erst begonnen, nach anderen, sanfteren Wegen im Umgang mit Pferden zu suchen. Beim Reiten war er mir allerdings ein sehr guter Lehrer:

Mein vierbeiniger Reitlehrer
Anfangs als ich noch gar nicht Bescheid wußte, ging er dorthin, wo ich die Zügel hinzog. Irgendwann fand er, daß ich nun schon mehr wissen müßte, und reagierte darauf nicht mehr. Aber er hatte Recht, denn ich hatte mir damals schon einige Bücher gekauft, und darin gelesen. Also versuchte ich, zusätzlich den inneren Schenkel verstärkt anzulegen, wenn ich abwenden wollte. Das akzeptierte er als Verbesserung. Allerdings nicht lange. Wieder einige Wochen später forderte er mehr von mir. Also versuchte ich das mit der Gewichtsverlagerung nach innen, indem ich mit der inneren Hüfte nach vorn unten rutschte, wie ich gelesen hatte. Außerdem legte ich vorschriftsmäßig das äußere Bein etwas nach hinten. Das fand er gut, und wendete wieder ab. Die Innenstellung des Kopfes lieferte ich später freiwillig nach.

Das erste Putzen
Nun zu meinen Problemen mit ihm: Das erste Mal auf diesem Reiterhof angekommen, drückte man mir eine Bürste in die Hand, und erklärte mir, wie und warum ich das Pferd putzen müsse. Dazu muß man wissen, daß man auf dem tschechischen Reiterhof damals für uns die Pferde vorbereitete. Also fing ich zum ersten Mal damit an, ein Pferd zu putzen und fand es schön, ihn dabei immer wieder zu streicheln. Nach und nach verschwanden alle, die vorher dabeistanden, die einen, weil sie davon überzeugt waren, ich käme schon allein klar, die anderen, weil sie ebenfalls noch zu tun hatten. Ich putzte weiter.

Nicht alle Pferde kuscheln gern
Tatan sah sich in alle Richtungen um, und sah, daß wir allein waren. Das sah ich auch, aber dachte mir nichts dabei. Tatan sah sich wieder zu mir um und schnappte zu. Ich sprang vor Schreck zwei Schritte zurück, und blieb ratlos in dieser Entfernung stehen bis Hilfe kam. Heute glaube ich, das waren ca. 100 Punkte, allerdings Minuspunkte, die ich bei Tatan in punkto Respekt sammelte. Man erklärte mir dann, daß Tatan Menschen leider nicht mehr so mag, also nicht unbedingt ein Kuschelpferd ist. Sie hatten ihn von der Trabrennbahn gekauft. Dort war er wohl nicht so gut behandelt worden...

Sich durchsetzen
Mir wurde auch erklärt, wie wichtig es ist, sich durchzusetzen, und daß ein Pferd innerhalb der ersten drei Sekunden nach seinem Vergehen bestraft werden müsse. Ein paar Mal kam man mir auch zu Hilfe und demonstrierte mir dies, wenn ich ihm zu viel durchgehen ließ.
Um ehrlich zu sein, ich hatte Schwierigkeiten damit, mich auf diese Art gegenüber dem Pferd durchzusetzen. Deshalb suchte ich überall nach Wegen und Möglichkeiten, das alles ruhiger hinzubekommen. Ich las viel im Internet, studierte einige Pferde-Versteh-Bücher, ermittelte, welche Methoden es für den Umgang mit Pferden gibt. Die meisten davon sind für Schulpferde-Reiter allerdings nicht verwertbar. Überall findet man allenfalls einzelne Details, die ein wenig weiterhelfen können. Also dauerte es sehr lange, bis ich nach und nach meinen eigenen, ruhigeren Weg fand.

Zufallserkenntnisse
Manches fand ich selbst heraus: Tatan versuchte immer zu beißen, wenn ich ihn satteln wollte. Dann war ich auch am wehrlosesten, denn ich hatte keine Hand frei. Also ließ ich ihn eines Tages vor dem Satteln einen Schritt zurücktreten, bis das Anbindeseil fast straff gespannt war. Dann konnte ich ihn problemlos satteln, denn er versuchte nicht einmal, mich zu beißen. Das fand ich interessant, denn irgendwie war mir klar, daß er nicht wissen konnte, daß das Seil nun zu kurz war, und es deshalb bleiben ließ. Es mußte etwas anderes sein. Es klappte immer wieder. Irgendwann hatte ich es dann gefunden: Wenn zwei Pferde ihre Rangordnung untereinander auskämpfen, dann zieht sich am Schluß das unterlegene Pferd meist rückwärts zurück. Also hatte ich, ohne es zu wissen, durch das Zurückschicken wenigstens für einige Minuten, die Rangordnung neu festgelegt. Das reichte meistens zum Satteln und Trensen.

Von da an suchte ich nach mehr solchen "Tricks", erkannte aber bald, daß es nicht um Tricks sondern um ein Prinzip geht: Man muß Pferden möglichst in ihrer Sprache gegenübertreten. Dazu muß man sich aber mit dieser Sprache und den Pferden auseinandersetzen. Ein ganz einfaches Beispiel zeigte mir Tatan: Solange ich ihm in seiner Box noch automatisch auswich, wenn er an mir vorbei wollte, behandelte er mich respektlos, und drängte mich mitunter auch einfach zur Seite. Unter Pferden wäre das sein gutes Recht gewesen, denn das andere Pferd hätte ihm durch sein Ausweichen deutlich zu verstehen gegeben, daß es das unterlegene von beiden ist. Genau dies tat ich, ohne es überhaupt zu ahnen. Irgendwann fand selbst ich, daß es sich nicht geziemte, wie er mit mir umging. Deshalb ging ich einmal nicht zur Seite, als er vorbei wollte, sondern beugte mich noch leicht in seine Richtung, wurde kurz laut, und schob ihn mit der Faust kräftig zur Seite. Natürlich entwickelte ich auf die Art nicht die Kraft eines Pferdes, trotzdem reichte es aus, daß er diesmal um mich herumgehen mußte. Und dabei blieb ich dann. Durch diesen kleinen Erfolg schöpfte ich Mut und ließ mir daraufhin auch sonst nichts mehr gefallen, und blieb dann auch immer dabei. Außerhalb solcher Situationen behandelte ich Tatan aber nach wie vor sehr nett und freundlich. So entstand nach und nach die richtige Mischung, wodurch meine Probleme nach und nach verschwanden, und wir dadurch immer weniger Auseinandersetzungen beim Umgang miteinander hatten.

Eines Tages sah ich, daß Tatan beim Satteln nicht nur die Ohren anlegte. Auch der Schwanz war zwischen den Beinen eingeklemmt. - Er hatte Angst! Also meinte er das vielleicht gar nicht böse! Ich legte den Sattel sehr vorsichtig auf und achtete peinlich genau darauf, daß keine Falte auf der anderen Seite entstand. Sobald der Sattel lag, tröstete und beruhigte ich ihn. Erst dann zog ich vorsichtig den Sattelgurt an. Die nächsten Male machte ich das wieder so, und sehr bald war das Satteln kaum noch ein Problem.

Komm arbeiten, Tatan!
Komm arbeiten! Wer könnte einer solchen Aufforderung schon widerstehen? Tatan zum Beispiel. Denn als ich ihn einmal wieder allein von der Koppel holen sollte, wollte er sich nicht fangen lassen. Immer drehte er mir sorgfältig sein Hinterteil zu. Ich wußte mir keinen Rat, also holte ich mir Hilfe. Das etwa 15-jährige Mädchen, "seine Reitbeteiligung", ging mit sicherem Schritt in seine Richtung, rief ihn ruhig und - er kam auch nicht zu ihr. Da riß sie zusätzlich noch etwas Gras ab und hielt es ihm hin, während sie ihn rief. Da kam er.
Das habe ich natürlich nie vergessen, da mir die Situation damals doch etwas unangenehm war. Aber woher sollte ich das zu der Zeit wissen?

Was ich von Tatan also alles lernte
- Vor allem, daß man sich doch beim Pferd durchsetzen muß. Es geht nicht ohne.
- Aber die Art und Weise des Durchsetzens kann man selbst bestimmen.
- Man muß bei seinen Entscheidungen bleiben, dann braucht man sie bald nicht mehr neu zu treffen.
- Man muß die Augen offenhalten und beobachten, um Gründe für das "Fehlverhalten" des Pferdes zu finden.
- Man muß die Ruhe bewahren. Es macht mehr Eindruck auf das Pferd, wenn ich nicht die Nerven verliere.
- Man braucht Selbstsicherheit im Umgang mit Pferden durch Wissen (Bücher!) und Erfahrungen (Üben und beobachten!)

Ja Tatan, ich habe viel von dir gelernt. Dankeschön.

Elisa


"Vorsicht mit ihr, beim Putzen beißt sie...", wurde ich netterweise gewarnt, bevor ich sie das erste Mal putzen und vorbereiten wollte. Durch Tatan hatte ich ja bereits Erfahrung damit, und ich hatte vor allem aus eigenen Fehlern gelernt! Im Vergleich zu ihm empfand ich Elisa jedoch als harmloser. Es stimmt: sie versuchte gleich zu Beginn, mich zu beißen. Da ich das jedoch schon vorher wußte, lag mein linker Ellenbogen bereits parat: Mit ihm versperrte ich ihrem Kopf den Weg, ging einen Schritt auf sie zu und sagte mit erhobener Stimme: "Laß das sein!". Dann putzte ich weiter. Einige Male versuchte sie das dann noch, aber es wurde seltener. Ich gab ihr von Anfang an zu verstehen, daß ich das nicht dulden würde, und daß ich deswegen schon gar nicht mit dem Putzen aufhören würde.
Trotzdem schaffte sie es später einmal, mich ihre Zähne in meinem Hintern spüren zu lassen. Natürlich spürte sie fast zeitgleich meine Hand. Aber ich hätte das insgesamt verhindern können, wenn ich sie im Auge behalten hätte. Das hatte ich jedoch nicht getan, wohl weil ich mich bereits zu sicher fühlte, da sie mich vorher bereits wochenlang nicht mehr zu beißen versucht hatte.

Elisa war 16 als ich das erste Mal mit ihr zu tun hatte. Sie stand früher direkt neben dem Stalldurchgang. Immer wenn Besucher da durchkamen, hatte Elisa deren Hände im Gesicht. "Oh, ein Pferd!" Genauso wie es Menschen gibt, die es für niedlich halten, kleinen Kindern in die Wangen zu kneifen, gibt es welche, die Pferden z. B. freundliche Nasenstüber verpassen, und auch sonst glauben, daß man mit Pferden besonders grob umgehen müsse. Elisa fing irgendwann an zu beißen, um zum Ausdruck zu bringen, daß ihr das nicht gefällt. Nun steht sie schon lange woanders, aber sie beißt leider immer noch, und will nicht im Gesicht angefaßt werden. Das habe ich respektiert, und sie halt am Rücken gestreichelt, solange sie das wollte. Wenn sie nicht mehr wollte, ging sie etwas zur Seite, und ich setzte mich ein wenig auf den Rand ihrer Futterwanne (ist stabil betoniert). Eines Tages, als außer uns niemand weiter im Stall war, schaute sie sich nach hinten um, als wenn sie dort etwas beobachtete. Ihren Kopf hielt sie dabei genau über meinen Händen und wartete. Ich nahm eine Hand langsam nach oben, und begann sie ganz vorsichtig im Gesicht zu streicheln. Nach vielleicht einer halben Minute nahm sie den Kopf wieder weg, und ich hörte damit auf. Ein paar Momente später versuchte sie das noch einmal: Wieder beobachtete sie hinter sich alles ganz genau, obwohl da nichts war. Wieder streichelte ich sie. Diesmal ließ sie das länger zu, bis jemand hereinkam. Dann riß sie den Kopf weg, und tat, als wäre nichts passiert. - Heute darf ich sie im Gesicht anfassen. Natürlich bin ich dabei immernoch sehr behutsam.

Nachdem Elisa mich schon lange nicht mehr zu beißen versucht hatte, unterhielt ich mich mit einer anderen Reiterin über sie. Fazit: Elisa beißt noch.
Wie ich als ein Reitschüler unter vielen ein Pferd behandle, hat also nur Auswirkungen auf mein Verhältnis zu ihm.

Nathan

Nathan Er ist das größte Pferd im Stall, aber noch recht jung, 6 Jahre alt. Er benimmt sich häufig respektlos(?) Menschen gegenüber, steht nicht still beim Satteln und entzieht sich der Trense indem er seinen Kopf hochnimmt (und zwar sehr hoch!). Außerdem beißt er hin und wieder, und tritt Menschen häufig auf die Füße.
Beim Reiten legt er dem Reiter einen beträchtlichen Anteil seines Gewichtes in die Hand.
Insgesamt bin ich mir sicher, daß er das alles nicht böse meint; ich denke ihm ist lediglich der Unterschied zwischen Mensch und Pferd nicht ganz klar.

Auch auf seinem Reiterhof gibt es einige mehr oder weniger kleine Mädchen, die dort mithelfen. Da dort die Reiter normalerweise ihre Pferde nicht selbst vorbereiten, machen dies oft auch die Mädchen.

Einmal habe ich beobachtet, wie eines der Mädchen ihm beim Putzen mehrfach auswich, wenn er sich ihr näherte. Vor dem Satteln und Trensen holte sie sich eine ihrer Freundinnen zu Hilfe. Zuerst schob Nathan das erste Mädchen mit seiner Nase gegen die Wand, daß sie nach Luft schnappte, das andere mit der Trense in der Hand schob er einfach zur Seite. Sie hatten keine Chance "gegen" ihn. Obwohl sie anfangs meine Hilfe ablehnten, griff ich nun doch ein, um weitere "Handgreiflichkeiten" zu verhindern. Fast demonstrativ ließ er sich von mir ohne jeglichen Widerstand die Trense in's Maul schieben und das Reithalfter überstreifen.

Ein anderes Mal bemühten sich in seiner Box vier der Mädchen mit vereinten Kräften, die Trense in sein Maul zu bekommen. Nathan wollte aber nicht. Ich war gerade dabei, mein Pferd zum Ausritt vorzubereiten, als eines der Mädchen mich um Hilfe bat. Als ich zu Nathans Box kam sah ich zwei der Mädchen, wie sie an der Wand der Box "Schutz" suchten, das dritte versuchte Nathan "festzuhalten", da er inzwischen völlig ohne Halfter war. Er stand bereits mit dem Kopf zur Tür. Als ich kam, sah er mich verzweifelt und entrüstet an: "Guck' dir das an! Die schicken mir vier Minis, von denen ich mir soetwas gefallen lassen soll. So eine Beleidigung!". Von dem Mädchen, das noch bei ihm stand, ließ ich mir das Reithalfter geben, und legte ihm die Zügel um den Hals. Dann bat ich die anderen Mädchen vor der Box zu warten. Während sie 'rausgingen, versuchte ich beruhigend zu ihm zu sprechen und streichelte ihn. Dann ließ ich ihn sich herumdrehen, damit er wieder so stand wie immer, wenn er zum Reiten vorbereitet wurde. Ohne weitere Probleme zu machen, ließ er sich das Reithalfter überziehen.

Ich glaube es gibt Pferde, deren Stolz einfach stärker ausgeprägt ist, als das bei anderen Pferden der Fall ist. Nathan gehört zu ihnen. Ich glaube nicht, daß es gut für die Mädchen ist, weiter an ihrem Ehrgeiz festzuhalten, Nathan "besiegen" zu wollen. Daß sie Angst haben, ist völlig normal. Schließlich ist Nathan wirklich sehr groß und dazu noch etwas temperamentvoller. Aber auch er sieht, daß sie Angst haben, und trotzdem versuchen sie, ihn zu kommandieren. Das paßt für ihn nicht zusammen!

Starlight

Starlight Er ist nicht sehr groß und ein junger Traber, braun. Er war ein Urlaubspferd für mich und hat mir auf Anhieb gefallen. Ich hätte ihn in die Kategorie "Kuschelpferd" eingeordnet. Putzen, Satteln und Trensen ging prima. Was ihm Schwierigkeiten bereitete war, eine ganze Stunde lang am Zügel zu gehen. Es war nötig, immer wieder Pausen zu machen, also ihm die Zügel ein paar Momente zu lassen. Man muß dazu aber wissen, daß sein Reiterhof fast ein reiner Ferienbetrieb ist. Für eine Woche kommen also immer wieder meist Anfänger, und wollen bei ihm Reiten lernen, oder lassen sich durch die Gegend tragen. Also woher soll er das können? Wenn man das berücksichtigt, dann hat er seine Sache gut gemacht. Für mich war das Reiten viel schwieriger, als daheim. Aber das schadet nichts; schön war es trotzdem.

Was mich sehr erstaunte: Die Pflegerin sagte mir, daß er keinesfalls in die Kategorie "Kuschelpferd" gehört, als ich ihr gegenüber soetwas erwähnte. Ihre Kollegin konnte wochenlang nur mit einem Besen in seine Box. Den mußte sie mitnehmen, um sich verteidigen zu können!

Danach habe ich zum ersten Mal darüber nachgedacht, daß man vielleicht gar nicht die Pferde "erzieht", mit denen man zu tun hat, sondern daß man sich eigentlich nur selbst "erzieht", indem man sich Kenntnisse aneignet und dadurch und durch Übung sicherer wird. Dann ist es möglich, daß man sich vom ersten Kontakt an mit einem Pferd gut versteht, ohne daß seine Vorgeschichte in diesem Moment eine Rolle spielt.

Herbst 2007: Schlechte Neuigkeiten: Starlight wird seit einem halben Jahr nicht mehr im Reitbetrieb eingesetzt und soll weggegeben werden. Er beißt andere Pferde und ist einmal während der Reitstunde mit gebleckten Zähnen auf die Reitlehrerin losgegangen. Dadurch habe ich dort nun ein weiteres "Patenpferd". Ein paar Mal sind wir bereits zusammen geritten. Einmal haben wir allein einen Ausritt unternommen. Er gibt sich Mühe. Bereits nach unserer ersten Longier- und Führstunde hatte er gelernt, daß er beim Führen nicht Überholen oder Drängeln darf. Das hat mich zwei Ermahnungen (laute Stimme und aufgerissene Augen) gekostet. -- Hoffentlich läßt man mir noch ausreichend Zeit mit ihm!!!

Diamant

Diamant - ein Rappe? Diamant - Braun schimmert durch

Vom weiten dachte ich, es wäre ein Rappe. Aber als ich näher kam, sah ich braune Stellen durchschimmern. Er ist ebenfalls ein junger Traber. Man hat vergessen, ihm zu sagen, daß er ein Wallach ist, kein Hengst. - Er liebt Stuten über alles!
Er war früher auf der Trabrennbahn, von dort wurde er verkauft. Die Reitlehrerin sagte mir, sie wisse gar nicht, was er da eigentlich sollte. Was er noch nicht immer kann, ist Galoppieren.

Putzen
Als ich zu ihm kam, war er ein wenig nervös. Aber ich habe sofort leise zu ihm gesprochen, ihn gestreichelt, und ihm den Striegel gezeigt, mit dem ich gleich losarbeiten würde. Den Sattel habe ich etwas sanfter aufgelegt und den Gurt langsam angezogen, weil er anfangs ausweichen wollte, und ich nicht genau wußte, ob er ein Problem damit hat. Der Rest ging problemlos. Zwischendurch habe ich ihn immer wieder etwas gestreichelt, und ihn gelobt, wenn er etwas richtig gemacht hatte.


Reiten
Vor dem Reiten sagte man mir, daß Diamant noch nicht soviel Erfahrung mit Dressur hätte. Er würde immer nur Anfänger auf seinem Rücken haben, und galoppieren könne er auch nicht so richtig. Also habe ich von Anfang an darauf geachtet, die Reiterhilfen so genau, wie es mir möglich war, zu geben. Immer wenn etwas gelungen war, habe ich ihn gelobt und kurz gestreichelt. Wenn nicht, habe ich mit trotzdem netter Stimme gesagt: "Das versuchen wir gleich nochmal!". Kurzum, ich habe versucht, es ihm möglichst leicht und angenehm zu machen. Was war das Ergebnis? Nach ein paar Minuten auf dem Reitplatz begann Diamant, sich große Mühe zu geben, es mir recht zu machen. Mit Eifer versuchte er, die gestellten Aufgaben so gut es ging zu erfüllen. Obwohl wir den kleinen Reitplatz benutzen mußten, sind wir sogar ein paar Mal galoppiert! Wir beide hatten eine Reitstunde lang zusammen viel Freude. Dabei machte er einen so liebenswerten Eindruck auf mich, daß ich ihn am liebsten mit nach Hause genommen hätte.

Überraschung
Das (vorläufige) Ende der Geschichte ist folgendes: Nachdem ich Diamant abgesattelt und versorgt hatte, stellte ich ihn in seine Box. Dann rief mich die Chefin zu sich und fragte mich aus: nach meiner Einstellung zu Pferden, was ich in ihnen sehe (Sportgerät oder Lebewesen), wie ich mit ihnen umgehe, was dabei meine Methoden sind. Ihr war aufgefallen, daß ich mit Diamant sehr gut zurechtgekommen war, und daß ich begeistert von ihm war. Sie fragte mich weiter, ob ich mich das nächste Mal nicht mit einem wirklich problematischen Pferd bekannt machen möchte.

Resumé
Na klar, ein bißchen stolz war ich insgeheim schon! Aber viel wichtiger ist: Was habe ich diesmal gelernt? Im Prinzip hat sich vollends bestätigt, was ich nach der Begegnung mit Starlight schon erahnte:

- Wir (Reitschüler) erziehen nicht (oder kaum) die Schulpferde, auf denen wir Reiten lernen.
- Wir erziehen uns selbst, durch mehr Wissen, Übung und dadurch mehr Sicherheit.
- Dadurch haben wir eine vorteilhafte Wirkung auf das Pferd vom ersten Moment an.
- Gerade am Anfang konsequent und trotzdem nett und rücksichtsvoll zu sein, macht uns schnell vertrauenswürdig.
- Das erleichert uns den Umgang mit unseren Pferden enorm.
- Rücksichtsvoll zu sein heißt auch, nur das vom Pferd zu fordern, was es (in diesem Moment) auch leisten kann.

Also nochmals zur Erinnerung und als Zusammenfassung:
Wissen (durch Lesen, Beobachten, Nachdenken) und Erfahrung (durch Übung) führen zu mehr Selbstsicherheit im richtigen Umgang mit Pferden, so daß diese uns als vertrauenswürdig ansehen. Dabei erleichtern ihnen unsere Konsequenz, Rücksicht und Freundlichkeit letztlich eine freiwillige Unterordnung.
Und genau das wollten wir doch erreichen!: Pferde, die gern für uns das tun, was wir von ihnen möchten.


Ikarus

Ikarus

Das ist er also, das "wirklich problematische Pferd". Ikarus ist ein Halbblut, sein Vater war ein Vollbluthengst. Im Umgang empfinde ich ihn als recht angenehm. Beim Führen versucht er die Führung zu übernehmen, und will schneller sein, als der Mensch neben ihm (macht er bei mir aber nicht). Die richtigen Probleme kommen erst beim Reiten: Ikarus steigt desöfteren. Und er ist insgesamt sehr sensibel und übelnehmerisch, was die Hilfen betrifft. Oft bleibt er einfach stehen.
Die Chefin des Reiterhofes machte mir den Vorschlag, immer wenn ich dort bin, mich ausschließlich um ihn zu kümmern, damit er so etwas wie eine Bezugsperson bekommt. Die damalige Reitlehrerin war davon nicht so begeistert; u. a. meinte sie, daß ich mit ihm sicherlich keine Ausritte machen könne, da er seine Eigenheiten nie ablegen würde. Sie hatte ihn erst kürzlich bei einem Ausritt geritten, wobei er bald nur noch rückwärts ging und stieg.

Das hat mir natürlich nicht gerade Mut gemacht. Aber ich wollte es trotzdem mit ihm versuchen, notfalls auch ohne Ausritte. Er hatte mir leid getan, weil sonst niemand die Zeit hatte, sich so richtig mit ihm zu beschäftigen (gerade wegen seiner Probleme), und man schon über den Schlachthof nachgedacht hatte. Außerdem hatte ich ihn schon kennengelernt:

Ikarus ist ein sehr nettes Pferd Der erste Besuch
Als ich ihn das erste Mal reiten wollte, konnte er wegen einer Beinverletzung nicht. Also machte ich zumindest einen Krankenbesuch, damit wir uns bekannt machen konnten. Ich ging in seine Box und drehte mich gleich so, daß ich dieselbe Blickrichtung hatte, wie er. Sofort kam er und schob seinen Kopf ganz dicht an meinen, und ich begann gleich, ihn am Hals zu streicheln, was ihm sichtlich gefiel. Den Besucher, der uns von draußen beobachtete, und uns ganz hektisch "alles" erklären wollte, um uns so an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben zu lassen, den biß er in die Hand...

Die erste Platzrunde
Ach, war ich aufgeregt. Die Reitlehrerin erinnerte mich daran, daß Ikarus jederzeit ohne ersichtlichen Grund steigen konnte. Trotzdem begann ich ihn zu putzen, zu trensen und zu satteln. Dabei beruhigte ich mich etwas, weil er mir die Arbeit sehr leicht machte und sehr nett war.
Die Chefin (die selbst nicht reitet, aber ein gutes Gespür für Tiere und bestimmte Situationen hat) sagte mir vorher einmal, daß sie davon überzeugt ist, daß vor dem Steigen der jeweilige Reiter auch einen Grund dafür lieferte: Entweder wurde Ikarus geschlagen (mit Gerte oder Hand), oder anderweitig zu sehr zu etwas gezwungen, was er nicht wollte. Mit diesem Wissen ging ich in die erste Reitstunde. Ich versuchte ihm klar zu zeigen, was ich von ihm wollte, war aber insgesamt sehr vorsichtig und aufmerksam. Vor allem mit den Zügeln ging ich sehr behutsam um. Wie ich es sonst auch tue, lobte ich immer, wenn wir eine Übung erfolgreich ausgeführt hatten. Ich "klopfte" dabei nicht mit der Hand auf seinem Hals herum, sondern streichelte ihn kurz am Hals, legte die Hand ruhig auf seinem Widerrist auf, oder fuhr mit der Hand gegen den Fellstrich am Widerrist herauf.
Es ist nichts passiert. Auch nicht in den folgenden Reitstunden. Früher durfte hier noch stehen: "Ikarus ist unter mir noch nie gestiegen." Das stimmt seit Mai 2007 nicht mehr. Was da passiert ist: Ikarus steigt!?

Der erste Ausritt
Wir hatten gerade eine Platzrunde erfolgreich hinter uns gebracht. Ein paar Minuten später, nachdem der (neue) Reitlehrer sein Pferd vorbereitet hatte, sind wir zu unserem ersten gemeinsamen Ausritt aufgebrochen. Ich war ziemlich aufgeregt und habe mit dem Schlimmsten gerechnet. Aber es kam nicht schlimm. Es war zwar schon ganz gut, daß sonst niemand am Ausritt teilnahm. So konnte mich der Reitlehrer vorausreiten lassen, um mir von hinten Hinweise zu geben. Ikarus war anfangs nämlich auch recht aufgeregt. Außerdem kann ich nicht behaupten, daß ich die ganze Zeit lang die Führung innegehabt hätte: Aus der ersten Galoppstrecke machte er eine Galopprunde, weil er wohl der Meinung war, daß uns die kleine Strecke noch nicht genügen konnte. Dann überließ er aber mir wieder die Führung. Als wir das letzte Stück bis zur Brücke im Trab zurücklegen wollten, ist Ikarus sofort angaloppiert. Erst vor der Brücke ließ er sich wieder durchparieren. Dann hatte ich wieder die Führung.

In beiden Fällen war genug Platz und niemand in der Nähe, nur deshalb konnte ich das erlauben. Ich wollte ihn vor allem nicht mit Gewalt anhalten, denn es sah aus, als wenn ihm das Freude machte. Außerdem hätte gerade Gewalt in einem solchen Moment vielleicht wieder dazu führen können, daß Ikarus sich aufregt und dann steigt. Genau das möchte ich ja vermeiden, denn damit wäre das Vertrauen, welches gerade zwischen uns entstand, sofort beiderseits zunichte gemacht worden. Deshalb bin ich der Meinung, daß wir beide das ganz gut gemeistert haben. Auch der Reitlehrer sagte, daß man Ikarus ruhig für ein paar Momente seinen Willen lassen darf, wenn man danach die Führung zum erforderlichen Zeitpunkt wieder übernehmen kann.

Hinterher habe ich mich über mich selbst gewundert: Ich hatte gar keine Angst, da ich davon überzeugt war, daß er nichts Böses im Schilde führte. Für mich sah es so aus, als wollte er einfach noch ein wenig laufen. Er blieb in einem relativ ruhigen, wenn auch schnellem und kraftvollem Galopp. Die ganze Zeit hatte ich mein Vertrauen zu Ikarus nicht verloren!

Die späteren Ausritte gingen schon viel besser. Für mich pariert er nun dort durch, wo ich das möchte (ich glaube nicht, daß mein reiterliches Können dafür verantwortlich ist...).
Was mir mit Ikarus noch aufgefallen ist: Wenn man mit einem Pferd (zu dem man Vertrauen hat) im Gelände als erster vorausreitet (mit Ikarus reite ich immer als erster), ist Galoppieren gleich noch einmal so schön!

Wir zwei - ganz allein!
Im Winter gibt es Zeiten, wo auf dem Reiterhof nicht viel passiert. Einmal war auch kein Reitlehrer da, so daß ich Ikarus ausnahmsweise allein auf dem Platz reiten durfte. Da er einige Zeit nicht mehr geritten worden war, longierte ich ihn vorher etwa 20 Minuten, wobei ich tunlichst darauf achtete, eine ruhige Atmosphäre zu schaffen, und keinen Druck zu erzeugen. Da ich wirklich allein war, mußte ich hoffen, daß Ikarus stehen blieb, während ich die Dinge forträumte, die ich nach dem Longieren nicht mehr benötigte. Er blieb aber nicht stehen: Er folgte mir auf Schritt und Tritt, wohin ich auch ging! Die Reitstunde haben wir zwei dann auch ganz gut gemeistert; ich denke, beide waren wir recht zufrieden.

Über dieses Pferd könnte ich wohl ein ganzes Buch schreiben. - Aber wer liest das dann noch? Nur deshalb komme ich jetzt zum Schluß:

Ein vorläufiges(?) Ergebnis
Inzwischen fällt das Wort "Schlachthof" im Zusammenhang mit Ikarus nicht mehr. Der neue Reitlehrer nimmt Ikarus als Führpferd bei Ausritten. Man kann Kinder, die noch absolute Anfänger sind, und nichts weiter von Ikarus verlangen, auf ihm reiten lassen, ohne daß man irgendwelche Befürchtungen haben muß. Ikarus ist wieder ein "richtiges" Pferd und in die tägliche Arbeit integriert! Man kann ihn jetzt mit Gerte reiten. Als mir ein Reitlehrer das erste Mal eine Gerte brachte, ist Ikarus beim Anblick derselben in Panik zur Seite gesprungen.
Unterdessen (Sommer/Herbst 2007) ist er sogar das beliebteste Pferd auf dem Hof.
Was sich wirklich nie ändern wird: (Fach)Leute, die seinen "Willen brechen" wollen, die ihn bestrafen für Dinge, für die er nichts kann, die beim Reiten Dinge verlangen, die sie selbst gar nicht richtig können und ihn deshalb schlagen oder treten, für die wird Ikarus ein gefährliches Pferd bleiben.

Und, was lernen wir von Ikarus?
Mit der derzeitig allgemein praktizierten Dominanz gegenüber Pferden, bin ich ja ohnehin nicht ganz einverstanden. Natürlich wird es gefährlich, wenn man einem Pferd grundsätzlich seinen Willen läßt, und sich somit unterordnet. So soll es auch nicht sein. Aber es darf durchaus Momente geben, wo ich als Reiter meinem Pferd eine eigene Meinung zugestehe, vorausgesetzt, ich bringe damit niemanden in Gefahr.
Es gibt sogar Pferde, die man mit der Methode "Dominanz um jeden Preis" nicht gefahrlos reiten kann. Solche Pferde wie Ikarus geben mir (und all denen, die das ganz ähnlich sehen) recht.
Konsequenz, aber nicht um jeden Preis, verbunden mit Rücksichtnahme und Freundlichkeit können beim Pferd Vertrauen zu mir wecken und den Umgang mit ihm und das Reiten sicherer machen.
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Wenn ich von meinem Pferd Vertrauen erwarte, muß auch ich meinerseits ihm Vertrauen entgegen bringen.