Hier erzähle ich einige Episoden, die ich mit Pferden erlebt habe. Nichts Dramatisches. Ein paar nette Kleinigkeiten. Die Erzählweise ist vielleicht nicht immer ganz ernst zu nehmen. Ich erzähle so, wie ich das in der jeweiligen Situation empfunden habe, manchmal, ohne den Verstand zuviel aus der Geschichte herausfiltern zu lassen. Damit sie nicht kaputtgeht.

Können Pferde sprechen?

Ja. Davon bin ich unterdessen überzeugt. Nicht, daß sie sich in unserer Sprache an uns wenden würden. Das tun sie nicht. Aber in ihrer Sprache sprechen sie manchmal so deutlich zu uns, daß wir sie verstehen können.
Eines Tages sagte mir ein Mädchen, daß sie auf dem ihr zugeteilten Pferd nicht reiten würde. Letztes Mal war sie heruntergefallen, und sie sagte mir, daß sie dieses Pferd einfach noch nicht beherrsche. Da niemand da war, der die Pferdeeinteilung ändern konnte, bot ich ihr an, mit mir zu tauschen, nachdem wir in der Reithalle gefragt haben würden. Die Reitlehrerin war einverstanden und meinte dazu, daß es für mich sowieso besser sei, auch 'mal ein anderes Pferd zu reiten als immer nur Elisa. Nächstes Mal war dem Mädchen wieder dieses Pferd zugeteilt. Wieder tauschten wir. So kam es, daß ich über mehrere Wochen auf einem anderen Pferd ritt, das eigentlich das ganze Gegenteil von Elisa war.
In dieser Zeit half ich einmal beim Ausmisten der Ställe. Danach durften wir auf einem Pferd unserer Wahl eine Stunde auf dem Platz frei reiten. Ich wählte das Pferd aus, auf dem ich seit Wochen regelmäßig ritt. Wir holten die Pferde von der Koppel und putzten sie bei schönem Wetter draußen. Ich mußte vor dem Reiten aber noch einmal in den Stall, um Reitkappe und Gerte zu holen. Da stand als einzige, die übriggeblieben war, Elisa. Sie sah sich zu mir um, und gab mir ganz deutlich zu verstehen: "Du, die anderen sind schon alle draußen. - Was ist mit uns beiden? Gehen wir nicht reiten?". - Ich war ganz schnell wieder aus dem Stall verschwunden, und hatte ein schlechtes Gewissen.
Kurze Zeit später war ich froh, wieder zu Elisa wechseln zu können. Bis heute reite ich fast immer nur auf ihr.

Schau, so geht es leichter!

Auf unserem (Urlaubs-)Reiterhof in Hnanice, Tschechien dürfen wir unterdessen unsere Pferde selbst vorbereiten und nach dem Reiten auch versorgen. Wir dürfen sogar im Stall helfen. - Normalerweise werden die Pferde dort für die Reiter vorbereitet. Diese kommen, reiten, zahlen und gehen. Die meisten wollen das so.
Einmal war es meine Aufgabe, einigen Pferden die Hufe zu säubern und danach einzufetten. Soweit kein Problem. Nur bei Nathan hatte ich meine Anfangsschwierigkeiten: Er ist - wie schon gesagt - sehr groß. Das größte Pferd dort im Stall. Die vorderen Hufe waren nicht weiter schwierig, die hatte ich genauso schnell fertig wie bei den anderen Pferden. Aber die Hinterhufe: Als ich mir den ersten Hinterhuf geben ließ, nach hinten heraus, wie es halt üblich ist, stand ich sehr beengt in der Ecke seiner Box. Ich konnte so gut wie nichts sehen, und mühte mich sehr ab.
Nach einer Weile begann Nathan seinen Huf zurückzuziehen. Ich hielt fest, da ich dachte: Naja, wie üblich: glaubt, nicht mehr auf drei Beinen stehen zu können. Er zog aber weiter, und ließ nicht locker. Also gab ich für einen Moment nach, um zu überprüfen, ob er einen ernsten Grund dafür hatte. Er hatte: Nun hob er seinen Huf nach vorn hoch, unter seinen Bauch. Dazu schaute er mich an, als wenn er fragen wollte: "Guck' 'mal, geht es so nicht viel leichter?". Ja, er hatte Recht. Es war zwar recht ungewöhnlich - schließlich holen Pferde in genau dieser Stellung zum Schlagen aus - aber es ging tatsächlich viel leichter.

Kuschelpferd oder nicht? I

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die vielleicht nicht so wichtig sind, die mich aber trotzdem sehr erfreuen können. Mich freut es z. B. sehr, wenn mich Pferde für meine ruhigere Art mit solchen Kleinigkeiten belohnen:

Auf unserem tschechischen Reiterhof in Hnanice darf ich auch Pferde longieren. Ein jüngeres Pferd hat mich dabei besonders überrascht. Dieses Pferd befindet sich noch in der Ausbildung und wird deshalb longiert. Klar, daß so ein Pferd noch nicht von allein über längere Zeit das Tempo hält, oder erstklassige Übergänge "hinlegt". Da ich das ja vorher wußte, habe ich natürlich Geduld gezeigt, und war trotzdem sehr nett zu ihm. Immer wieder habe ich es gelobt, wenn es etwas richtig gemacht hatte. Sehr bald gab sich das Pferd dann große Mühe, alles so gut wie möglich zu machen. Es war eifrig bei der Sache.
Nachher wurde es regelrecht zum Kuschelpferd: Es steckte seinen Kopf unter meinen Arm und wollte am Kopf, im Gesicht und am Hals gestreichelt werden. Es konnte gar nicht genug bekommen. - "Nun ja, das passiert halt manchmal. Ist eben ein nettes Pferd" - werden Sie sagen. Die Besitzerin sagte allerdings: "Komisch, mit Männern will er sonst gar nichts zu tun haben. Die beißt er sonst immer oder geht ihnen aus dem Weg."

Kuschelpferd oder nicht? II

Svatka, eine alte, 25-jährige Stute, hat immer die Ohren angelegt, wenn man an ihrer Box vorbeigegangen ist. Beim Versuch, sie zu streicheln, hat sie zugeschnappt, oder sich in ihre Box zurückgezogen.
Na gut, dachte ich irgendwann, ich glaube dir nicht, daß du böse bist. Sie hatte desöfteren schon gesehen, wie ich mit den anderen Pferden, mit denen ich in ihrem Stall zu tun hatte, umgegangen bin. Also habe ich mich mit dem Rücken zu ihr an ihre Boxentür gestellt, mich etwas zur Seite gedreht, so daß ich sie aus den Augenwinkeln noch ein wenig sehen konnte. Damit wollte ich ihr sagen: "Komm ruhig zu mir. Ich tue dir nichts." Ab und zu habe ich leise ihren Namen gerufen, und ruhig zu ihr gesprochen, dann einfach wieder gewartet. Vielleicht hat sie sich ja gedacht, nanu, der Zweibeiner scheint es in meiner Sprache zu versuchen, wie er da so steht. Nach ein paar Minuten bewegt sie sich aus meinem Blickfeld. Dann spüre ich ihren warmen Atem im Nacken, und ein wenig später schiebt sich vorsichtig ein Pferdekopf ganz dicht neben meinen. Ein spannender Moment. Ich habe ihr mit leiser, langsamer Stimme gut zugeredet, und wir standen erst einmal eine Weile so da. Als ich das erste Mal versuchte, sie zu streicheln, hat sie den Kopf sofort wieder weggezogen. Also noch'mal warten... Als sie wiederkam, habe ich mit dem Streicheln noch gewartet. Und dann habe ich ganz vorsichtig angefangen, sie unten am Maul zu streicheln. Das ging...
Heute kann ich einfach zu ihr hingehen, und sie fast wie ein ganz normales Pferd streicheln. Inzwischen sind wir auch schon ein paar Mal zusammen geritten (nur langsame Winterausritte, weil sie doch schon so alt ist...), und selbst ihren linken Hinterfuß, um den sie sonst solche große Angst hat, gibt sie mir schon, wenn ich sie vorher tröste und streichle.

Auffällig

Wenn Sie versuchen, sich diesen im Vorangegangenen beschriebenen, sanfteren Stil im Umgang mit Pferden zu eigen zu machen, müssen Sie damit rechnen, daß das hin und wieder auffällt, gerade weil es so leise ist. Das gibt einem selbst aber auch Bestätigung, daß man sich auf dem richtigen Weg befindet. Und vielleicht überzeugt das ja auch andere...

Die erste Episode kennen Sie schon, wenn Sie das Thema "Umgang" bereits fertig gelesen haben:

Eine junge Frau mit noch wenig Erfahrung bittet eine andere Reiterin um Hilfe beim Hufe säubern, da das Pferd absolut nicht stillhält. Aber auch die erfahrenere Reiterin hat kein Glück. Genau wie sie es gelernt hat, wird sie streng und laut, und haut sogar einmal zu. Es hilft alles nichts.
Als ich um Hilfe gebeten werde, gehe ich an das Pferd heran, um es erst einmal zu streicheln und ruhig zu ihm zu sprechen. Dann rutsche ich mit der Hand "vorschriftsmäßig" am Pferdebein herunter, sage "Fuß!" und nehme den Huf auf und drücke das Pferdebein mit der Fesselbeuge ein wenig gegen mein Bein. So habe ich mehr Halt und kann den Huf säubern, ebenso, wie die anderen. Natürlich lobe ich das Pferd immer wieder, und nach jedem Huf streichle ich es kurz.
Nachher kam die erfahrenere Reiterin zu mir, um mir begeistert zu sagen, daß ihr das sehr gefallen hat, wie ich mit dem Pferd umgegangen bin.


Noch viel niedlicher war dies:

Auf unserem tschechischen Reiterhof hatte ich eines Tages mein Reitpferd Nathan nach dem Reiten versorgt. Dann ging ich "meinem" Aramis einen Krankenbesuch abstatten. Danach ging ich zu einem dritten jüngeren Pferd Vlasta, um es zum Longieren vorzubereiten. Ein kleines Mädchen, das dort hilft, hatte mich dabei wohl immer wieder beobachtet, und sagte: "Das gefällt mir aber, wie Sie die Pferde hier alle so lieb haben!"

Wie Tatan mir den Galoppp beibrachte

Als erwachsener Späteinsteiger ist man vorsichtiger und hat mehr Angst, z. B. vor dem Galoppieren. Tatan wußte das. Er ist Traber und ein sehr guter Lehrer. Wenn wir nach der offiziellen Unterrichtsstunde noch ein wenig selbständig reiten durften, sind die anderen alle galoppiert. Wir sind hinter den anderen hergetrabt. Allerdings sind wir genauso schnell getrabt, wie die anderen galoppiert sind. Ohne Mühe. Irgendwann fing Tatan an, hin und wieder eine Art weichen Sprung einzubauen. Ich hatte keine Idee, was das ist. Wieder ein paar Tage später machte er das auch zweimal hintereinander, um dann wieder weiterzutraben, als müßte das so sein. Ich wußte immer noch nicht, was das ist und warum er das wohl macht. Auch noch nicht, als er das am Ende der nächsten Reitstunde dreimal hintereinander machte.
Eines Tages meinte unsere Reitlehrerin, daß es Zeit für mich wäre, endlich einmal zu galoppieren. Diesmal gelang es mir nicht, das noch weiter herauszuschieben. Also machte ich genau das, was mir die Reitlehrerin sagte, und Tatan galoppierte an. Das kam mir vielleicht bekannt vor! Und ich wußte nun, daß Tatan in den vergangenen Reitstunden versucht hatte, mich auf das Galoppieren vorzubereiten, ohne daß es jemand bemerkt hatte. Nicht einmal ich selbst.

Der bedrohliche Waldweg

Einmal wollte ich mit Ikarus in einen Waldweg reiten, den ich selbst noch nicht kannte. Ikarus sagte kategorisch: "Nein!" und blieb stehen. Ich versuchte es mit mehr Druck. Er sagte: "Wir gehen nach Hause!", und drehte um. "Nein, Ikarus!", antwortete ich, "Wir haben noch Zeit und gehen hier entlang!" Das regte ihn auf. "Ikarus, geh' jetzt endlich weiter!" - "Nein, ich habe wahnsinnige Angst!" - "Gut, dann lassen wir den Waldweg für heute. Aber wir gehen wenigstens noch ein Stück da entlang!" - "Ich will aber nach Hause." - "Komm schon! Ein Stückchen noch!"
Bei einem nächsten Ausritt nahm ich mir vor, daß wir diesmal den Waldweg schaffen würden. Dort angekommen sagte ich: "Komm, wir biegen nach rechts ab." Ikarus entgegnete mir aber: "Nein! Ich will nach Hause." - "Wir gehen noch nicht nach Hause. Laß uns wenigstens einen Moment hier stehen bleiben!", antwortete ich. Da standen wir nun und schauten in den schrecklichen Waldweg hinein. Ich versuchte ihn zu beruhigen: "Hab' keine Angst, Ikarus! Ich bin ja da." Nach vielleicht zwanzig Sekunden fragte ich ihn, ob wir es nicht doch noch einmal versuchen wollen. "Ich will schon, aber ich hab' Angst!", war seine Antwort. "Fein, daß Du willst.", entgnetete ich. Und etwas später: "Wie siehts aus? Ist die Angst noch zu groß? Versuch's noch mal!" - "Ich will, aber ich habe noch Angst." Dabei machte er einen Schritt nach vorn, nahm ihn aber zur Hälfte wieder zurück. "Na fein, Ikarus! Das war doch schon ein Stück in die richtige Richtung. Gut!" Etwas später schafften wir so einen ganzen Schritt vorwärts. Nach insgesamt knapp zwei Minuten meinte Ikarus, als hätte er nie gezögert: "Komm, wir gehen 'mal diesen Waldweg hoch! Mal schauen, wo der hinführt. - Du tust mir doch nichts?!" - "Natürlich nicht. Bist ein braver Junge."
Beim nächsten Ausritt hatten wir mit diesem Waldweg außer einem kurzen Zögern kein Problem mehr.
Später erfuhr ich, daß Ikarus an genau dieser Stelle eine schwere Auseinandersetzung mit dem Reitlehrer gehabt hatte, wobei er wieder gestiegen war. Das war wenige Tage bevor ich mit ihm dort entlang reiten wollte. Er hatte also schlechte Erfahrungen mit diesem Waldweg gemacht und wollte deshalb nicht mehr dorthin, vieleicht aus Angst, wieder getreten zu werden.

Sie denken, daß ein solches Gespräch mit einem Pferd nicht möglich ist? - Dann lesen Sie doch jetzt diese zweite Beschreibung der gleichen Begebenheit: Der bedrohliche Waldweg - die andere Version
Mal sehen, ob das Ihre Meinung ändert.

Übrigens: Hätte ich mich am ersten Tag richtig durchgesetzt, vielleicht unter Einsatz von Füßen und Gerte, hätte ich seine Angst wahrscheinlich noch vergrößert. Jedesmal wäre es dann schwieriger gewesen, dort entlang zu reiten. So hatte ich aber das Problem innerhalb weniger Minuten aufgelöst.

Die Abkürzung

Es war Winter, der Boden unter uns hart gefroren. Ikarus und ich waren zusammen im Wald auf einem Ausritt. Im Winter haben die Pferde auf Ikarus' Reiterhof keine Hufeisen an den Füßen, damit sie nicht rutschen. Es lag aber kein Schnee, also war das im Moment ziemlich egal.

Der Weg war auch nicht vereist, so daß wir auf der üblichen Galoppstrecke sogar galoppieren konnten. Als wir etwa die Hälfte des Ausritts hinter uns hatten, begannen Ikarus die Füße weh zu tun. Ich schaute zu seinen Hufen hinunter und sah, daß diese an den Rändern regelrecht ausgefranst waren. Der gefrorene Boden wirkte offenbar wie Schmirgelpapier. Sofort lenkte ich Ikarus ein Stück an den Waldrand, wo es viel weicher als auf dem Weg war. Wir gingen fast nur noch im Schritt zwischen den Bäumen hindurch, zurück in Richtung Stall. Daß ich nun den offiziellen Reitweg verlassen hatte, kümmerte mich momentan überhaupt nicht. Auf dem weichen Boden fiel Ikarus das Gehen wesentlich leichter. Nachdem wir schon ein größeres Stück des Rückweges geschafft hatten, bog Ikarus nach rechts ab, weil er eine Abkürzung kannte, die er vor längerer Zeit offensichtlich schon einmal gegangen war. Er führte mich durch den Wald, um nach einigen hundert Metern auf einen schmalen Weg zu treffen, den wir nach links gingen. Wieder nach einigen hundert Metern kamen wir an einen kleinen Graben, der normalerweise kein Problem für uns dargestellt hätte. Leider hatte man aber einen großen Haufen alter Ziegelsteine hineingeschüttet, so daß uns der Weg versperrt war. Ikarus blieb stehen. Ich suchte nach einer Umgehungsmöglichkeit, aber Ikarus warf kurz seinen Kopf hin und her und kehrte um. So mußten wir die ganze Strecke wieder zurückgehen. Glücklicherweise war der Waldboden aber so weich, daß mein Pferd damit keine weiteren Schwierigkeiten hatte. Wieder am Hauptweg angekommen gingen wir weiter am Waldrand zwischen den Bäumen hindurch und kamen so wieder zu Hause an, wenn auch etwas später als geplant. Nachdem ich ihm Sattel und Trense abgenommen hatte, schaute ich mir seine Hufe genauer an. Es war zwar kein echter Schaden auszumachen, aber ich würde ihn für einige Zeit mit dem Reiten in Ruhe lassen müssen. Die letzten Tage, bevor ich wieder abreisen mußte, verbrachten wir daher mit Spaziergängen, die wir aber auch sehr schön fanden. Glücklicherweise war keine Feriensaison, so daß auch keine Kinder auf ihm reiten wollten.

Später ließ mich ein Gedanke aber nicht mehr los: Woher wußte ich auf dem Ausritt eigentlich plötzlich, daß Ikarus seine Füße weh taten? Und woher wußte ich sofort, daß Ikarus eine Abkürzung gehen wollte, und er nicht einfach nur versuchte, seinen Willen durchzusetzen und die Richtung selbst festzulegen?



Wird fortgesetzt...